Multikultur auf engstem Raum
Multikultur auf engstem Raum
Dr. Viola Heilman

Als vor 75 Jahren Israel gegründet wurde, lebten dort etwa 800.000 jüdische und nichtjüdische Menschen. Heute leben auf einer Fläche, die nicht größer ist, als Wien und Niederösterreich zusammen, fast 9,7 Millionen Menschen mit unterschiedlichster Herkunftsgeschichte. Der Anteil der jüdischen Bevölkerung in Israel ist etwa 74 % oder rund 7,2 Millionen Menschen.

 

Die Geschichte der ethnischen Gruppen reicht weit in der Geschichte Israels zurück und wurde von den Migrationsmustern und historischen Ereignissen beeinflusst, die die Region geprägt haben. Die israelische Bevölkerung ist äußerst vielfältig und besteht aus Menschen mit unterschiedlichen ethnischen Wurzeln wie aschkenasischen und sephardischen Juden, Äthiopiern, Jemeniten, Arabern unterschiedlichster Herkunft und vielen anderen. Nach Schätzungen leben in Israel Menschen aus über 90 Herkunftsländern. Jede Gruppe hat ihre Bräuche, religiöse Praktiken, Sprachen und kulinarische Traditionen mitgebracht und trägt so zum lebendigen Geflecht der israelischen Gesellschaft bei. Arabische Israelis, die etwa 20 % der Bevölkerung ausmachen, sind ein integraler Bestandteil des ethnischen Gefüges der Nation. Zu einer bemerkenswerten ethnischen Gemeinschaft in Israel gehören die Drusen, eine religiöse muslimische Minderheit, die für ihre Loyalität gegenüber dem Staat bekannt ist. Darüber hinaus gibt es Gemeinschaften von Tscherkessen, Samaritern, Armeniern und anderen, die jeweils ihre einzigartigen Bräuche und Traditionen zum vielfältigen Mosaik Israels beitragen.

Die ethnische Vielfalt Israels stellt auch Herausforderungen dar und erfordert kontinuierliche Bemühungen, um gleiche Rechte, Chancen und den sozialen Zusammenhalt für alle Gemeinschaften zu gewährleisten. Israel verfügt über Gesetze und Richtlinien zum Schutz der Rechte seiner Minderheiten, einschließlich Gesetzen, die Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder des Geschlechts verbieten. Israel ist auch stolz darauf, die Vielfalt seiner Bürger zu feiern. Das Land ist immer wieder Gastgeber zahlreicher Kulturfestivals, bei denen verschiedene ethnische Gruppen ihre Traditionen, Künste und ihre Musik präsentieren. Diese lebendige Darstellung kulturellen Ausdrucks fördert Verständnis, Wertschätzung und Einheit unter Israelis unterschiedlicher Herkunft. Sprache spielt eine wichtige Rolle bei der Überbrückung von Gräben und der Förderung von Inklusion. Die  Förderung des zweisprachigen Unterrichts, bei dem sowohl Hebräisch als auch Arabisch unterrichtet wird, trägt zu einem besseren Verständnis und einer besseren Kommunikation zwischen jüdischen und arabischen Gemeinschaften bei.

Die jüdische Bevölkerung in Israel besteht aus verschiedenen ethnischen Untergruppen. Aschkenasische Juden sind europäischer Abstammung und stammten ursprünglich aus Mittel- und Osteuropa, darunter Länder wie Russland, Polen und Deutschland. Aschkenasische Juden hatte eine bedeutende Rolle bei der anfänglichen Gestaltung der intellektuellen, wissenschaftlichen und kulturellen Landschaft Israels, vor allem während der Fluchtbewegungen durch die Verfolgung während des Nationalsozialismus. Viele aschkenasische Juden brachten eine reiche Bildungs- und Wissenschaftstradition mit, die zu Fortschritten in Bereichen wie Technologie, Medizin, Literatur und Kunst führte.

 

 

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Sephardische Juden stammen von der Iberischen Halbinsel (Spanien und Portugal) und Mizrahi-Juden stammen aus dem Nahen Osten und Nordafrika. Dazu gehören Juden aus Ländern wie Marokko, Irak, Jemen und Iran. Durch ihre Musik, Küche und traditionelles Handwerk, haben sie die israelische Gesellschaft bereichert und mit der jüdisch-israelischen Kultur vermischt.

Die Einwanderung jemenitischer Juden nach Israel, bekannt als Operation Magic Carpet, war eine groß angelegte Lufttransportoperation, die zwischen 1949 und 1950 stattfand. Jemenitische Juden waren im Jemen mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert, darunter Armut, politische Instabilität und antijüdische Verfolgung. Infolgedessen versuchten viele jemenitische Juden, den Jemen zu verlassen und nach Israel auszuwandern. Aufgrund dieser schwierigen politischen Sicherheitslage im Jemen wurde die Operation im Geheimen und in Zusammenarbeit mit jüdischen Gemeindeführern und lokalen Partnern und der Jewish Agency durchgeführt. Zwischen 1949 und 1950 wurden etwa 50.000 Juden aus dem Jemen nach Israel geflogen.

Juden aus Äthiopien, auch Beta Israel genannt, brachten ein einzigartiges kulturelles Erbe nach Israel. Sie wurden in zwei spektakulären Einwanderungs-Operationen des Israelischen Militärs nach Israel gebracht. Dies waren die Operation Moses (1984) und die Operation Salomon (1991). Insgesamt wurden dabei etwa 24.000 Menschen jemenitischer Herkunft nach Israel geflogen. Trotz der Herausforderungen während ihres Integrationsprozesses haben sich die äthiopischen Israelis in den Bereichen Bildung, Kunst, Sport und öffentlicher Dienst hervorgetan. Sie haben dem israelischen Mosaik einzigartige Perspektiven und kulturellen Reichtum verliehen.

Arabische Israelis sind die größte ethnische Minderheit in Israel und machen etwa 20 % der Bevölkerung oder knapp 2 Millionen Menschen des Landes aus. Sie haben bedeutende Beiträge in verschiedenen Bereichen geleistet, darunter Bildung, Gesundheitswesen, Wissenschaft, Wirtschaft und Kunst. Viele arabisch-israelische Fachkräfte arbeiten als Ärzte, Ingenieure, Akademiker und Künstler. Zum Beispiel werden die meisten Apotheken in Israel von arabischen Israelis betrieben.

Die Gemeinschaft der Drusen ist eine religiöse und ethnische Minderheit in Israel. Sie folgen einer esoterischen muslimischen Sekte und sind in den nördlichen Regionen Israels wie Galiläa und Carmel stark vertreten. Der drusische Glaube entstand im 11. Jahrhundert als eigenständiger Zweig des Islam und wird von verschiedenen philosophischen und religiösen Traditionen beeinflusst, darunter Ismailismus, Gnostizismus und Neuplatonismus. Die drusische Gemeinschaft von etwa 140.000 Menschen ist für ihre Loyalität gegenüber dem Staat Israel und ihren Beitrag zu den Sicherheitskräften des Landes bekannt.

Die Bevölkerungsgruppe der Beduinen in Israel besteht aus traditionell nomadischen arabischen Stämmen, die historisch in den Wüstenregionen lebten. Ihr Lebensstil ist eng mit der Wüste verbunden, obwohl bereits viele Beduinen in ein sesshaftes Leben übergegangen sind. Die etwa 260.000 Beduinen Israels haben ihr traditionelles Wissen über die Wüste und ihre Ressourcen bewahrt und leisten damit wertvolle Beiträge zu Israels landwirtschaftlichen Praktiken und zum Umweltschutz.

In Israel leben auch andere kleinere ethnische Gruppen, darunter Tscherkessen (ca. 4000 Menschen), Samariter (ca. 800 Menschen), Armenier (ca. 3000 Menschen) und verschiedene Einwanderergemeinschaften aus vielen Teilen der Welt. Diese Gruppen tragen zu weiterer Diversität der multikulturellen Landschaft Israels bei.

Tscherkessen haben eine starke militärische Tradition und dienten auch in den israelischen Streitkräften.

Die Samariter (Shomronim) sind eine kleine israelitische Religionsgemeinschaft, die ihre eigene Tradition bewahrt haben und bei religiösen Zeremonien und Ritualen eine wichtige Rolle spielen.

Die Armenier haben ihr reiches kulturelles Erbe, einschließlich ihrer Sprache, Musik und Küche, mitgebracht und Beiträge in verschiedenen Bereichen wie Wissenschaft, Kunst und Handel geleistet.

Eine interessante Bevölkerungsgruppe sind die in Israel lebenden Menschen, die der iranischen Religionsgemeinschaft der Bahá'í angehören. Im Jahr 2021 wurde die Zahl der in Israel ansässigen Bahá'í auf etwa 700 Personen geschätzt. Diese Personen sind in erster Linie mit dem Bahá'í-Weltzentrum und seinen verschiedenen Institutionen in Haifa verbunden.

Die größte Immigration nach Israel war die Einwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion. Sie begann Ende der 1960er Jahre und setzte sich bis in die 1990er Jahre in nachfolgenden Wellen fort. Juden in der Sowjetunion waren mit Einschränkungen ihrer religiösen und kulturellen Praktiken, sowie verschiedenen Formen der Diskriminierung konfrontiert. Infolgedessen versuchten viele, das Land zu verlassen und Israel war eines der ganz wenigen staatlich tolerierten Auswanderungsländer. Verhandlungen zwischen der israelischen Regierung und den sowjetischen Behörden spielten dabei eine entscheidende Rolle. Schließlich wurden bilaterale Abkommen zwischen Israel und der Sowjetunion geschlossen, die die organisierte Auswanderung von Juden ermöglichten. In vielen Fällen mussten sowjetische Juden durch Zwischenländer reisen, bevor sie Israel erreichten. Diese Transitländer wie Österreich, Italien und später Polen dienten als vorübergehende Zwischenstopps für die Bearbeitung und Unterstützung von Einwanderern. Die russische Einwanderung nach Israel hatte erhebliche Auswirkungen auf die israelische Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft. Russischsprachige Einwanderer haben in verschiedenen Bereichen, darunter Wissenschaft, Technologie, Kunst und Unternehmertum, Beiträge geleistet und das multikulturelle Gefüge der israelischen Gesellschaft bereichert. Heute leben in Israel über eine Million russisch stämmige Menschen, die aus Ländern wie Russland, der Ukraine und anderen ehemaligen Sowjet-Republiken kamen.

In den letzten Jahren hat Israel weiterhin Einwanderer aus verschiedenen Ländern aufgenommen, darunter Frankreich, den Vereinigten Staaten, Argentinien und Äthiopien. Während die Zahlen jährlich schwanken, machen jedes Jahr mehrere zehntausend Menschen Alijah, die israelische Bezeichnung der offiziellen Einwanderung. 2022 kamen 70.000 Einwanderer 95 Ländern nach Israel.

 

 

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