Jüdisches Leben in Graz
Jüdisches Leben in Graz
freies Bild, Dr. Viola Heilman

Am 26. Oktober 2022 wird im Graz Museum die Ausstellung „Jüdisches Leben in Graz“ eröffnet. Zum ersten Mal wird die Geschichte des jüdischen Lebens über einen Zeitraum von 900 Jahren, vom Mittelalter bis zur Gegenwart, in einer umfassenden Ausstellung in der Steiermark gezeigt. Die Sammlungen und Ausstellungen im Museum, das das kulturhistorische Museum der Stadt Graz ist, setzt sich sowohl mit der Geschichte, wie auch mit der Gegenwart der Stadt auseinander.

Martina Zerovnik, Kuratorin der Ausstellung „Jüdisches Leben in Graz“ und der Projektleiter Bernhard Bachinger, zeigen einen dynamischen Themen-Austausch, wobei die jüdischen Vorstellungs- und Lebenswelten beleuchtet werden und wie sie sich im Laufe der Jahrhunderte verändert haben. „Die angelegte Perspektive verfolgt einen ganzheitlichen und differenzierenden Blick, der politische, religiöse, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Faktoren berücksichtigt“ beschreibt Martina Zerovnik ihre Themenkreise für die Ausstellung. „Wir hatten eine relativ kurze Vorbereitungszeit von nicht ganz einem Jahr. Die größte Herausforderung war, mit Grazer Juden und Jüdinnen, sowie NachfahrInnen vertriebener Menschen in aller Welt ins Gespräch zu kommen.“ Die Ausstellung soll den Besucher und vor allem Jugendliche dazu anregen, festgefahrene Sichtweisen zu jüdischen Menschen und ihrer Kultur zu erweitern. Dabei wird der Aspekt des Lebens ins Zentrum der Ausstellung gestellt. Dies, um dem dominanten Aspekt der nationalsozialistischen Zerstörung entgegenzuwirken und auch, um die strukturellen Charakteristika des Antisemitismus hervorzuheben. „Das Graz Museum ist keine Jüdische Institution, deshalb ist der Vermittlungsanspruch besonders hoch“ beschreibt die Kuratorin ihre Arbeit. „Es geht mir um das kommunikative Moment des Dialogs, das sinnbildliche Zum-Nachdenken-Anregen, aber auch das konkrete Ins-Gespräch-Kommen.“

Die Ausstellung führt durch verschiedene Themenkreise der jüdischen Geschichte und des jüdischen Lebens, die Wissenslücken schließen und jüdische Identität als gelebte Vielfalt vermitteln möchte. „Mir ist es wichtig, einen Einblick in die Geschichte und das Leben von Juden und Jüdinnen in Graz zu geben und zwar im Sinne der lebensweltlichen Vielfalt und nicht der wiederkehrenden Zuschreibungen in Klischees“ sagt Martina Zerovnik.

Dass jüdisches Leben so viel mehr ist, als die Fokussierung auf die Shoa ist auch für Präsident Elie Rosen ein Anliegen, das er durch zahlreiche Veranstaltungen immer wieder zeigt. Die Kuratorin Martina Zerovnik arbeitete daher auch intensiv mit der Jüdischen Gemeinde Graz zusammen. Aber auch der Grazer Geschichtsverein Clio und das Zentrum für jüdische Studien der Universität Graz spielten eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung dieser Ausstellung.

Museum-fuer-Geschichte-Graz

Es wurden zahlreiche Gespräche mit Personen geführt, die für das jüdische Leben in Graz mitbestimmend sind und waren. Aus diesen Gesprächen wurden zwölf Interviews ausgewählt, die als Videos in der Ausstellung gezeigt werden.

Das Schlüsselsymbol der Ausstellung ist der Dreidel. Die vier Seiten des Chanukka-Kreisels symbolisieren die Bedeutungen „hineingeben – nichts – halb – alles“. Das Dreidel-Spiel wird um einen Einsatz gespielt, der erbracht oder entnommen wird. Jüdische Geschichte und Entwicklung liegen in „Annäherung und Abgrenzung von Toleranz und Verfolgung, von Anerkennung und Antisemitismus, von Aufbrüchen und Rückschlägen, von Aufbau und Zerstörung“ sieht Martina Zerovnik die Parallelen zum Dreidel.

1880 lebten in Graz 1.200 jüdische Menschen, deren Israelitische Kultusgemeinde 1892 die erste große Synagoge errichtete. Zu Beginn des 20. Jahrhundert lebten bereits 2.000 Jüdinnen und Juden in Graz. Nach der Shoa und heute waren und sind es nurmehr weniger als 200. Diese traurige Abfolge von Aufbau und Zerstörung, findet sich auch in der Ausstellung, deren Besucher in zwei gegenüberliegende, gegensätzliche Richtungen geführt wird, die jeweils einem inhaltlichen Schwerpunkt durch alle Zeiten folgen. Bis in die Gegenwart reichen Willkür, Verfolgung, Gemeinschaft und Vielfalt. Die Themen der Ausstellungsräume stellen auch die unterschiedlichen Zugänge vorherrschender Weltordnungen zum Judentum dar. So gliedern sich auch die fünf Ausstellungsräume auf einer Gesamtfläche von 240 m2 in die Themen Jüdisch – Willkür – Verfolgung – Gemeinschaft – Vielfalt.

Der zentrale Eingangsraum, der sich dem Thema „Jüdisch“ widmet, ist der Zugang zum jüdischen Leben in Graz in alle Richtungen. Hier stellt auch der Dreidel für Martina Zerovnik „das symbolische Zentrum der Ausstellung“ dar, der hier seine dramaturgische Dynamik entfaltet. Dieser Raum, der der Ausgangspunkt der Ausstellung ist, versteht sich als Vermittlungsplatz und Zugang zur jüdischen Religion, Geschichte, Kultur in der Stadt Graz. Der Kuratorin geht es um die Vielfalt an Perspektiven, die versucht, Antworten auf die Fragen zu finden, was es bedeutet, in Graz „jüdisch“ zu sein und zu leben. Der Dreidel, der durch seine Bewegung zufällig auf einer Seite zu liegen kommt, ist ein Sinnbild der Veränderlichkeit des jüdischen Lebens in einem sich stetig verändernden Umfeld.

Die Ehrenrede bei der Ausstellungseröffnung „Jüdisches Leben in Graz“ wird von Justizminister a.D. Clemens Jabloner gehalten, der auch eine zentrale Rolle bei Restitutionen jüdischen Vermögens in Österreich hat. Außerdem werden Stadtrat Günter Riegler und Präsident Elie Rosen gemeinsam mit Museumsdirektor Otto Hochreiter die Ausstellung eröffnen. Darüberhinaus werden viele Juden und Jüdinnen aus Graz und aus dem Ausland erwartet.

Für Otto Hochreiter, seit 2005 Direktor des Graz Museums, sieht seine Ausstellung zu diesem Thema als gesellschaftspolitisch besonders wichtig. „Das Graz Museum hat für sich das Ziel formuliert, alle Grazer SchülerInnen in diese Ausstellung zu bringen“ erklärt Martina Zerovnik das ambitioniert Ziel der Museumsleitung. Die Ausstellung wird bis Ende Juli 2023 für interessierte Besucher geöffnet sein.

 

Adresse: Graz Museum, Sackstraße 18, 8010 Graz

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