Israelisch Kochen
Israelisch Kochen
freies Bild, Dr. Viola Heilman

Israel hat in vielen Bereichen seit seinem Bestehen eine unglaubliche Wandlung vollzogen. Dies trifft auch auf kulinarischen Veränderungen zu. Juden und Essen ist ein endloses Thema. Die Fragen, was ein essen jüdisch und welches Rezept das „richtige“ ist, begleiten die jüdische Gesellschaft seit jeher. In Israel wurden diese Fragen aber auf ein unglaublich hohes Niveau gehoben. So hoch, dass Menschen wegen des Essens nach Israel kommen und die Restaurantszene als Teil der Geschichte und Kultur Israels sehen.
Unter einem Kochurlaub verstehen die meisten normalerweise eine Reise nach Frankreich oder Italien, Länder, die für die große Vielfalt an Möglichkeiten für FeinschmeckerInnen bekannt sind. Israel hat es mittlerweile geschafft, zu einer der faszinierendsten kulinarischen Szenen der Welt zu gehören.

Bis in die 1970er Jahre beschwerten sich BesucherInnen immer über das Essen und fanden nur arabische Restaurants gut, von denen die meisten Kioske hinter Tankstellen waren. Nahöstliche Küche wurde einfach nicht geschätzt. Weder die Gerichte der Mizrachi-Juden, noch der Aschkenasim. Die Diaspora und ihre Lebensmittel waren etwas, das vergessen und zurückgelassen werden wollte. Aschkenasische Gerichte rochen nach Verfolgung, Mizrahi- und Sephardi-Speisen wurden als schlechtes Essen der unteren Klasse aus rückständigen Kulturen angesehen. Essen selbst war eine Frage der Verlegenheit, war nicht etwas, worüber man reden sollte. Spitzenrestaurants servierten damals französische Küche und es gab auch chinesische und italienische Restaurants. Die großen Touristenhotels, wo Küchenchefs aus der Schweiz, Österreich und Deutschland kochten, boten Hühnersuppe mit Kneidlach, gefilte Fisch, eingelegte Heringe, gehackte Leber, Zimmes und Lockshen-Pudding an.

israelisches essen

In den 1980er Jahren kam es aber zu einer Mini-Revolution. Hervorgerufen, durch eine bessere Wirtschaftslage konnten die Menschen in Israel auswärts essen gehen. Auch Bestrebungen, den verlorenen Stolz ethnischer Gemeinschaften durch die Wiederbelebung und Verbreitung ihres kulturellen Erbes wieder herzustellen, trugen zu dieser Veränderung bei. In Radiosendern wurde beispielsweise dazu aufgerufen, Familienrezepte einzusenden. Die dritte Generation von Einwanderern, die nicht die Kultur- und Identitätskomplexe ihrer Eltern und Großeltern hatten, wollte den Geschmack ihrer angestammten Küche wiederentdecken. Sfardische Köche in Israel fuhren nach Europa und in die USA, wo sie sich in Spitzenrestaurants ausbilden ließen. Mit ihrem Wissen kehrten sie zurück, um mit den erlernten Techniken und inspiriert von innovativen Ideen eine moderne israelische Haute Cuisine zu entwickeln.

2005 bereitete Ezra Kedem, der damalige Küchenchef und Besitzer des berühmten Fine-Dining-Restaurants Arcadia in Jerusalem, sein charakteristisches Baladi-Gericht zu (Baladi heißt übersetzt „lokal“). Er schnitt eine Aubergine so, dass die Scheiben am Stiel haften blieben, röstete sie, fächerte die Scheiben auf, harkte sie mit einer Gabel und präsentierte sie mit einem Spritzer Olivenöl, einer Prise gehackter Walnüsse und Petersilie und kleinen Pfützen von Tahina und Joghurt um sie herum. Diese Dekonstruktion des Traditionsgerichts Babaghanoush ist zu einem der Gerichte geworden, die am meisten mit der neuen israelischen Küche identifiziert werden. In den letzten 10 bis 15 Jahren ist das Interesse an Lebensmitteln explodiert. Kochen wurde glamourös und Köche zu Stars. In Tel Aviv sind abends alle unterwegs und die Stadt ist voll von überfüllten Restaurants. Gleichzeitig erlebten die israelischen Weine eine Revolution. Boutique-Weingüter stellen heute außergewöhnliche Weine her und gewinnen internationale Auszeichnungen. Ziegen- und Schafskäsehersteller stellen außergewöhnliche Käsesorten her. Die Food-Szene ist lebendig und zeigt große Kreativität.

Im Vergleich zu europäischen oder asiatischen kulinarischen Entwicklungen über viele Jahrhunderte, könnte man meinen, dass Israel nicht alt genug ist, um bereits eine tief verwurzelte kulinarische Tradition zu entwickeln und immer noch nach ihrer Richtung sucht. Aber braucht es eine Richtung? Gerade sich ständig ändernde Dinge zeigen Kreativität und Entwicklung, die von einem Einwanderungsland wie Israel erwartet wird. Menschen aus über siebzig Ländern gestalten am Beispiel der Kulinarik ein neues vielfältiges Spektrum.
Die israelischen KöchInnen stehen in Israel und im Ausland, wo einige von ihnen sehr erfolgreiche Restaurants eröffneten, an der Spitze einer neuen globalen gastronomischen Kultur, die innovativ und kreativ ist. Jeder dieser KöchInnen hat seine eigene persönliche Interpretation der israelischen Küche mitgebracht, die die mediterrane Nouvelle Cuisine ausmacht. Sie basiert auf Zutaten, die die gesunde mediterrane Ernährung repräsentieren, voller Gemüse, Getreide, Hülsenfrüchte, Obst, Nüsse und Olivenöl als Hauptspeisefett. Die Speisen sind schön anzusehen, farbenfroh und voller reicher Aromen. Die KöchInnen haben das Beste der aschkenasischen und der orientalischen Küche kombiniert, verfeinert und neu gestaltet.
Die Gerichte haben etwas Einzigartiges, weil sie von alten Traditionen aus den verschwundenen Welten der Diaspora inspiriert sind. Es geht um Wurzeln und Identität. Israels kulinarische Traditionen umfassen Speisen und Kochmethoden, die eine 3000-jährige Geschichte umfassen. In dieser Zeit wurden diese Traditionen von Einflüssen aus Asien, Afrika und Europa geprägt, und religiöse und ethnische Einflüsse haben zu einem kulinarischen Schmelztiegel geführt. Biblische und archäologische Aufzeichnungen geben Einblick in das kulinarische Leben der Region bis ins Jahr 1000 v. Chr. zurück, zu den Tagen der Könige des alten Israel. Diese aufstrebende Küche ist von regionalen levantinischen und lokalen palästinensischen Traditionen, Rezepten aus der gesamten jüdischen Diaspora und einem einzigartigen Terroir beeinflusst.

Die kulinarisch kulturelle Veränderung in Israel hat auch institutionelle Veränderungen der Lebensmittel-Szene gebracht. Die gemeinnützige Organisation Asif ist ein kulinarisches Zentrum in Tel Aviv, das sich der Kultivierung und Förderung der vielfältigen und kreativen Esskultur Israels verschrieben hat. Die Organisation ist ein Joint Venture der in New York ansässigen Jewish Food Society und Tel Avivs Start-Up Nation Central. Das kulinarische Zentrum wurde im Juli 2021 in Tel Aviv eröffnet und folgt der Mission, dass es so etwas wie israelische Küche gibt, die dokumentiert werden muss. Im Tel Aviver Zentrum von Asif befindet sich auch eine Bibliothek mit über 1500 Kochbüchern. Hier werden Ausstellungen und öffentliche Kochworkshops veranstaltet. Das Zentrum ist sechs Tage die Woche geöffnet und jeder ist willkommen (Anmeldung und Kontakt über https://asif.org/). Asif sieht über das Kochen hinaus und möchte dazu beitragen, dass die BesucherInnen etwas über die jüdisch-israelische Geschichte lernen, Konflikte konfrontieren und sich beim Essen auf einen offenen Dialog und schwierige Gespräche einlassen. Essen, so das Credo von Asif, dient der Erforschung der Beziehung zu Geschichte, Kultur, Politik, Ökologie, Mode, Technologie und Geschlecht.


Im Norden von Israel wird um 30 Millionen Dollar gerade ein architektonisch interessantes Gebäude fertiggestellt. Ab Mitte 2023 wird es das Galilee Culinary Institute im Kibbuz Gonen in der Nähe von Kryat Schmona beherbergen. In Zusammenarbeit mit dem Jewish National Fund sind Michael Solomonov, ein preisgekrönter Restaurantbesitzer aus Philadelphia, USA, und Lior Lev Sercarz, ein ebenfalls in den USA lebender sehr bekannter israelischer Koch, die Gründer des Instituts. Das Galilee Culinary Institute zielt darauf ab, eine neue Generation von KöchInnen in einer Region auszubilden, die Heimat von 80 ethnischen Gruppen und einer 4.000 Jahre alten Kultur ist. Israels grüne, multikulturelle Galiläa-Region könnte ein Magnet für KochstudentInnen aus der ganzen Welt sein. Das GCI ist auf immersive Erfahrungen wie das Pressen von Oliven in lokalen Hainen, das Erlernen der Geheimnisse der Beduinen-, Drusen- und äthiopischen Küche und das Eintauchen in die Startup-Kultur im Food-Tech-Inkubator Fresh Start im nahe gelegenen Kiryat Shmona ausgelegt. Das Institut bietet einen 12-monatigen Intensiv-Zertifikatskurs an, der auf Englisch unterrichtet wird (nähere Details unter: https://www.galileeculinaryinstitute.com/).
Für HobbyköchInnen gibt es zahlreiche israelische Koch- und Backkurse, die einen Besuch in Israel besonders gestalten. So gibt es zum Beispiel eine Marktverkostungstour von LocaLocal (https://www.localocaltlv.com/en). TeilnehmerInnen essen sich bei dieser Tour mit einem professionellen Guide durch Tel Aviv. Die Tour führt durch das Viertel Kerem HaTeimanim und den Carmel Markt. Probiert werden eine Vielzahl israelischer Gerichte und ein Gespräch mit lokalen KöchInnen ist auch möglich.
Wer auch praktisch an die Kochtöpfe will, findet bei Cook in Israel (http://www.cookinisrael.com/) sowohl kulinarische Führungen, als auch aktive Kochkurse für die Zubereitung von zuvor eingekauften Lebensmitteln auf israelische Art. Die TeilnehmerInnen des Kochkurses lernen dabei die jüdisch-israelische Küche, Kultur und Gewürze kennen.

In Österreich bietet die Neni Kochschule (https://neni.at/neni-welt/kochschule/) gemeinsam mit einem internationalen Kochteam an, den HobbyköchInnen die Geheimnisse der Neni-Klassiker beizubringen. Diesen Kurs kann man selbst besuchen, oder auch an liebe Menschen verschenken.

Julian Kutos aus Wien führt in seinem online und vor Ort Kochkurs unter anderem durch die israelische und levantinische Küche (https://www.juliankutos.com). Einflüsse aus Afrika, Europa und dem Nahen Osten sorgen für bunte und abwechslungsreiche Rezepte. Die TeilnehmerInnen lernen in ihrer eigenen Küche zu Hause viel wie mit Gewürzen ganz neue Aromen gezaubert werden. Sein nächster Kurs startet im März.

Die Volkshochschule Hernals hat sich ebenfalls in einem Kurs der israelischen Küche angenommen (https://www.vhs.at/de/k/616570589). Die KursteilnehmerInnen können sich zuvor zubereitete Delikatessen, wie Humus, Falafel und Gerichte mit Hülsenfrüchten auf der Zunge zergehen lassen.

Bei Maschis Delischkes in Wien werden in live und virtuellen Kochkursen jüdische Gerichte gekocht und jüdische Traditionen und Bräuche übermittelt. (https://www.maschisdelishkes.com/kochkurse). Für Margareta Mermelstein-Stössel ist die Freude am Kochen, die Warenkunde und die Geschmacksentwicklung wichtig. In den Koch-Workshops kommen spezifische Rezepte aus verschiedenen jüdischen Kulturkreisen zur Anwendung und es werden die besonderen Koch-Abläufe für Schabbat und an einzelnen Feiertagen erklärt. Margareta Mermelstein-Stössel hat viele Länder bereist. Überall hat sie ihre Familie und Freunde mit jüdisch-koscheren Gerichten verwöhnt, die sie an Interessierte nun weitergibt.

 

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