Dein ist mein ganzes Herz
Dein ist mein ganzes Herz
Ausstellungsdokumentation (c) Barbara Nidetzky

Die Gastkuratorin Theresa Eckstein bemühte sich sehr, ein bekanntes Wiener Konzertcafe nachzubilden. Die Ausstellung „Wir bitten zum Tanz. Der Wiener Cafetier Otto Pollak“ im Wiener Jüdischen Museum wird nun bis in den Herbst hinein verlängert. Ein Besuch bei Otto Pollaks Tochter Helga Kinsky.

Erstmalig ist die sonst immer gut gelaunte ältere Dame etwas mürrisch und beklagt sich über die Isolation durch Corona. Helga Kinsky hat genug von der unausweichlichen Einsamkeit. Die Haare hängen ihr über die Augen, aber einen Termin bei der Friseurin hat sie schon. Für den Besuch legte  sie ein Polster auf den Gartenzaun, sie selbst sitzt ein paar Meter entfernt auf ihrer kleinen Terrasse unter einem Sonnenschirm. „Die Ausstellung über das Konzertcafe Palmhof meines Vaters war eine Herzensangelegenheit für Theresa Eckstein, die Tochter meiner Freundin Tanja Eckstein“, sagt Helga Kinsky, die lange keinen Kontakt zur Jüdischen Gemeinde in Österreich hatte. Erst vor circa zehn Jahren wurde sie durch Tanja Eckstein und deren Gruppe Centropa sozusagen eingemeindet. Und das kam so: „Ich war für die Theresienstädter Initiative in Prag. Es waren ja 15.000 Österreicher in Theresienstadt inhaftiert. In der Folge wurde ich beauftragt, in Österreich zu organisieren, dass Besucher nach Theresienstadt fahren. Da ich aber  nicht organisieren kann, fragte ich die Wiener Jüdische Gemeinde um Unterstützung und die schickten mich zu Walter Fantl, der einen Bus organisierte.“ 

Licht und Glanz

Sie blieb in Kontakt mit Fantl: „Eines Tages fragte mich dann Walter Fantl, ob ich mit ihm zum Naschmarkt zu einem Treffen der Gruppe Centropa gehen möchte. Dort befreundete ich mich mit der Leiterin Tanja Eckstein.“ Helga Kinsky lächelt angesichts der Erinnerung. Die junge Eckstein-Tochter interessierte sich nun sehr für das schöne Cafe Palmhof, das in der äußeren Mariahilfer Straße angesiedelt war. „Papa besaß ein Buch mit allen Zeitungsartikeln und das Gästebuch. Es gab noch Plakate im Wiener Rathaus. Als das Cafe zurückgegeben wurde, fanden wir auch ein paar Sachen“, erklärt Helga Kinsky, wie die Ausstellung materiell zustande kam. Nun ist das Blaurand-Geschirr mit dem blauen Haus, dem eine Palme aus dem Dach wächst, ausgestellt. „Neben der Kulinarik bot das Palmhof unter dem Kapellmeister Fritz Santinelli ein musikalisches Potpourri aus Wienerlied, Operette, Walzer und gemütlichen Gesangsvorträgen“, steht im Katalog. Eine Büste des populären Walzerkomponisten Johann Strauß wurde extra für das Cafe geschaffen. In Zeitungsartikeln erwähnt wurde „die wechselnde Farbbeleuchtung des Tanzparketts“ und die „mit Licht und Glanz erfüllten Räume“.

Treffpunkt für Jazz

„Ich weiß nicht, warum mein Vater so auf Musik aus war. Er hatte keinerlei Kunst-Ausbildung. Er konnte sehr gut singen in einer Baritonstimme. Wenn mein Vater gute Laune hatte, hat er sicher eine Arie auf dem Podium im Cafe gesungen. Am liebsten mochte er die Operette ‚Dein ist mein ganzes Herz‘.“ Helga Kinsky selbst bezeichnet sich als unmusikalisch und bemühte sich als Kind aus dem Chor des Lagers Theresienstadt auszusteigen: „Es ist mir aber nicht gelungen. Ich sang Mezzosopran, konnte aber die Lage meist nicht halten und wanderte zum Sopran hinüber. Meine Freundin Flaschka aus dem Chor, die später Opernsängerin wurde, ist leider vor zwei Jahre gestorben. Wir waren wie Schwesterchen. Ihr Sohn wird im Herbst in der Oper Eugen Onegin dirigieren. Die Leiterin des Chors meinte immer, ich werde das Singen schon lernen.“
In den 1930-er Jahren wurde das Cafe Palmhof zu einem wichtigen Treffpunkt für den Jazz. Die österreichische Rundfunkgesellschaft übertrug Konzerte direkt aus dem Palmhof. Die Kapelle Paul Raab galt zum Beispiel als eine der angesagtesten der Zeit. Es gab Fünf-Uhr-Tee, Fritz Löhner-Beda kam zu Besuch und der 10.000ste Konzertbesucher wurde mit einer goldenen Uhr ausgezeichnet. Ein spannendes Unterfangen, so ein Konzertcafe! „Ich lebte in den 1950er Jahren in Äthiopien und traf dort einen Dirigenten des Palmhof wieder. Franz Zelwecker war der erste Dirigent der wiedereröffneten Oper in Addis Abeba“, erzählte Helga Kinsky im Gespräch mit Theresa Eckstein im Katalog. Wer mehr Einzelheiten möchte, muss selber in die Ausstellung gehen, die am 31. Mai wieder eröffnet wird.



http://www.jmw.at/de/exhibitions/wir-bitten-zum-tanz-der-wiener-cafetier-otto-pollak

Autorin: Kerstin Kellermann

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