Die Visionen von Steven Spielberg
Die Visionen von Steven Spielberg
Dr. Viola Heilman

Es gibt kaum einen Filmpreis, den Steven Spielberg nicht gewonnen hat. Anfang dieses Jahres gewann er zwei Golden Globe Awards für den besten Film und die beste Regie für das autobiografische Drama „The Fabelmans“. Im Februar 2023 erhielt Steven Spielberg in Berlin den Goldenen Bären als Ehrenpreis für sein Lebenswerk. U2-Sänger Bono sprach bei dieser Preisverleihung in besonders herzlichen Worten über die hervorragende Arbeit seines Freundes. Bono verglich den 76-jährigen Regisseur mit seinen historischen Figuren. "Er studiert jahrzehntelang die Vergangenheit, um zu sehen, was sie für die Gegenwart bedeutet." Von Dinosauriern bis hin zu künstlicher Intelligenz ist Spielberg ein „meisterlicher Geschichtenerzähler“. Zu Spielbergs Filmen gehören Jaws, ET der Außerirdische, Indiana Jones, Jurassic Park, Schindlers Liste, Der Soldat James Ryan und West Side Story und viele mehr.

Doch nicht nur seine Filme prägen Steven Spielbergs Leben, sondern auch seine Bedeutung, die er durch die Gründung der Shoah Foundation für die jüdische Zeitgeschichte geschaffen hat.

Steven Spielbergs Karriere ist wohl eine der erfolgreichsten der Filmgeschichte. Sein Erfolg beruht auf der unglaublichen Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, die Menschen auf der ganzen Welt ansprechen. Er versteht, was das Publikum sehen möchte, und weiß, wie er seine Geschichte auf unterhaltsame und ansprechende Weise auf die Leinwand bringt. Aufrichtigkeit ist dabei ein wesentlicher Bestandteil von Spielbergs Erfolgsformel. Seine Fähigkeit, ehrlich und authentisch zu sein ist einer der Gründe, warum seine Filme so gut ankommen. Die Leute haben das Gefühl, dass er etwas zu sagen hat und dass er sich wirklich für seine Geschichten interessiert. Durch die Kombination von Talent, Ehrgeiz und Authentizität konnte er bei jedem Projekt beeindruckende Ergebnisse erzielen – auch nach über 60 Jahren in der Filmbranche.

juedische sportlerin

Steven Spielberg wurde 1946 in Cincinnati, Ohio, in eine jüdische Familie geboren. Sein Vater, Arnold Spielberg, war Elektroingenieur und seine Mutter, Leah Posner, war Konzertpianistin. Seine Großeltern stammten aus der Ukraine aus der sie 1906 in die USA emigrierten. Steven hat sieben Geschwister, von denen die meisten, wie auch seine Kinder, in der Unterhaltungsindustrie arbeiten. Die Spielbergs, waren aktiv im jüdischen Leben eingebunden und so hatte Steven mit 13 Jahren auch eine Bar-Mizwa. Er erzählte in einem Interview, dass seine Eltern „die ganze Zeit über den Holocaust gesprochen haben“. Sein Vater verlor 16 bis 20 Verwandte im Holocaust. Wie in vielen jüdischen Familien war die Tragödie des Holocaust auch für Steven Spielberg prägend und es fiel ihm schwer, dieses Erbe, das er nur aus Erzählungen kannte, anzunehmen. „Als ich sieben, acht, neun Jahre alt war, war ich verwirrt, weil wir orthodoxe Juden waren. Ich schämte mich für die äußere Wahrnehmung meiner Eltern, aber ich habe mich nie geschämt, Jude zu sein. Dennoch war ich manchmal sehr unsicher."

Spielberg litt auch unter Antisemitismus: "Ich wurde in der High School geschlagen und getreten. Zwei blutige Nasen. Es war schrecklich." Später, als er bereits eine eigene Familie hatte, wendete er sich für einige Jahre vom Judentum ab. Doch seine Herkunft ließ ihn nicht los und vielleicht entstand auch deshalb der Film „Schindlers Liste“. Steven Spielberg war tief bewegt von der Biografie Oskar Schindlers und empfand sie als sehr persönlich relevant für das Projekt. In einem Interview sagte er: „Schindlers Liste ist mein persönlichster Film, es war das prägendste Erlebnis meines Lebens.“ Spielberg sprach auch über die Herausforderungen bei der Produktion des Films, einschließlich der Komplexität und des emotionalen Tributs bei den Schauspielern und der Crew beim Filmen der Szenen im Konzentrationslager. Der Film über die Judenverfolgung im Dritten Reich wurde zu einem der erfolgreichsten Filme und gewann sieben „Oscars“ und „Golden Globes“ in der Kategorie Bester Film.

Während der Dreharbeiten traf Steven Spielberg Holocaust-Überlebende, die das Set besuchten und ihm persönlich ihre Geschichten erzählten. Diese Begegnungen ermutigten ihn, die Zeugnisse von Überlebenden zu sammeln und für zukünftige Generationen zu bewahren. 1994 gründete er die Shoah Foundation, deren Mitarbeiter in den folgenden Jahren fast 55.000 Augenzeugeninterviews in 56 Ländern und 32 Sprachen aufgezeichneten. Die Stiftung, die durch ein globales Netzwerk von engagierten Menschen getragen wird, entwickelte innovative Befragungsmethoden und kombinierte die filmischen Ergebnisse mit Spitzentechnologie, die den Bestand des Archivs gewährleisten.

Die übergeordnete Aufgabe und Mission der Shoah Foundation ist „durch Zeugnisse die Welt verändern“ und die Sammlung, Entwicklung und Ausbildung stetig zu erweitern. Am Anfang galt es, möglichst viele Aufzeichnungen in möglichst kurzer Zeit zu erstellen, bevor es keine jüdischen Zeitzeugen mehr gibt. Es ist davon auszugehen, dass etwa ein Sechstel der überlebenden Zeitzeugen ein Interview gegeben hat. Im Jahr 2001 wurde die Aufgabe der Shoa Foundation erweitert. Sie sollte von nun an "Vorurteile, Intoleranz, Bigotterie und das dadurch verursachte Leid zu überwinden helfen, indem die visuellen Beweise der Stiftung pädagogisch genutzt werden." Dazu hat die Stiftung mit der Online-Plattform iWitness ein weiteres Online-Format entwickelt.

Die USC Shoah Foundation arbeitet seit 2006 mit der University of Southern California zusammen und bewahrt durch ihre thematische Erweiterung auch Zeugnisse von anderen Völkermorden, einschließlich denen in Armenien, Kambodscha und Ruanda. Gleichzeitig baut sie ihre Bildungsarbeit speziell für junge Menschen aus. Das Visual History Archive enthält digitalisierte Daten, die in wenigen Minuten vollständig durchsuchbar und verlinkt sind. Dieses Archiv ist zur weltweit größten digitalen Sammlung ihrer Art geworden. Spielberg beschreibt die Aufgabe und Arbeit der Shoa Foundation als „das wichtigste Erbe von Schindlers Liste“.

Die Stiftung stellt Lehrern, Schülern und Organisationen auf der ganzen Welt auch Bildungsressourcen zur Verfügung, um das Verständnis für den Holocaust und andere Völkermorde zu bewirken und die Menschen zu ermutigen, gegen Hass und Intoleranz zu kämpfen. Steven Spielberg ist ein starker Befürworter der Holocaust-Aufklärung und hat der Stiftung einen erheblichen Teil seiner Zeit und finanziellen Ressourcen gewidmet. Die gemeinnützige Organisation der USC Shoah Foundation finanziert sich aber auch aus Spenden von Einzelpersonen, Unternehmen und Stiftungen. Sie wird von Regierungsbehörden und internationalen Organisationen unterstützt, denn die Kosten für das Sammeln und Bewahren von Dokumentationen der Überlebenden und Zeugen sind erheblich. Es wird ein sehr großes Team von Mitarbeitern und Freiwilligen benötigt, um die Videointerviews durchzuführen und zu transkribieren, das digitale Archiv zu verwalten und der Öffentlichkeit Bildungsressourcen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus muss die Foundation die Kosten für die technische Infrastruktur wie Server und Speicher decken, die mit der Verwaltung der großen Datenmengen verbunden sind.

Es gab und gibt aber auch immer wieder Kritik an der Arbeit der Shoah Foundation, die der Organisation die Medialisierung der Shoah vorwirft. Dennoch hat niemand, außer Steven Spielberg eine so große Initiative ergriffen und persönliche finanzielle Mittel eingesetzt, um Zeitzeugen für Geschichtsbücher oder zukünftige Medien zu dokumentieren und zu bewahren. Der unschätzbare Wert einer solchen historischen Dokumentation für zukünftige Generationen ist nicht hoch genug einzuschätzen.

In Anerkennung seiner Bemühungen erhielt Steven Spielberg viele Auszeichnungen und Ehrungen, darunter ernannte ihn der französische Präsident Jacques Chirac 2004 zum Ritter der Ehrenlegion. 2015 erhielt Spielberg vom amerikanischen Präsidenten Barak Obama die Presidential Medal of Freedom, die höchste zivile Auszeichnung der Vereinigten Staaten. 2021 wurde er vom Internationalen Auschwitz Komitee gewürdigt und er erhielt im selben Jahr den Genesis-Preis, der auch als jüdischer Nobelpreis bezeichnet wird.

 

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