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Chaim Weizmann – Staatsmann und Gelehrter
Chaim Weizmann – Staatsmann und Gelehrter
freies Bild, Dr. Viola Heilman

Chaim Weizmann war und ist für die Geschichte des Staates Israel von sehr großer Bedeutung. Als Politiker war er Israels erster Präsident. Als Wissenschaftler und Universalgelehrter, legte er den Grundstein des heutigen modernen Israel. Am 9. November 2022 jährte sich der Todestag von Chaim Weizmann.

Chaim Weizmann wurde 1874 im heutigen Weißrussland geboren und hatte 14 Geschwister. Im großen, aber bescheidenen Haushalt, galt Bildung als das höchste Gute und trotz Armut machten es die Eltern allen Kindern möglich zu studieren. Die Kinder Weizmann

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wurden Wissenschaftler, Ärzte, Zahnärzte, Ingenieure und Lehrer. Aufgrund der damaligen strengen Quotenregelungen für jüdische Studenten verließ Chaim sein „Schtetl“ und begann sein Studium der Biochemie in Berlin. Während seines Studiums schloss er sich einem Kreis zionistischer Intellektueller an, die sowohl vom kulturellen und spirituellen Zionismus, als auch später von den politischen und territorialen Konzepten Theodor Herzls beeinflusst wurden. Die unterschiedlichen Ansichten von Chaim Weizmann und Theodor Herzl führten zu heftigen Konflikten, da Weizmann weniger Fokus auf die Notwendigkeit externer Diplomatie legte und mehr die sozial-kulturelle Sicherheit des neuen Staates anstrebte. Später würde Weizmann die Notwendigkeit externer Diplomatie begrüßen, um die Unterstützung der Großmacht England für ein jüdisches Heimatland und einen jüdischen Staat zu sichern.

1897 übersiedelte Chaim Weizmann von Berlin ins schweizerische Freiburg, wo er summa cum laude promoviert wurde. Auch in der Schweiz warb Weizmann vor allem bei russisch jüdischen StudentInnen für den Zionismus und gründete dafür Vereine in Bern, Lausanne und Genf. In Genf lernte er auch seine zukünftige Frau Vera Chatzman kennen, die Medizin studierte und sich ebenfalls für den Zionismus interessierte. 1906 heirateten Vera und Chaim und zogen gemeinsam nach Manchester, wo Vera 1913 ihre Berufszulassung bekam und als eine der ersten Ärztinnen arbeitete und Chaim Dozent an der Universität wurde. Hier entwickelte er ein besonderes Syntheseverfahren zur Herstellung von Aceton, das als Sprengstoff für die Militärindustrie von großer Bedeutung war. In Europa wütete der Erste Weltkrieg und Chaim Weizmann wurde durch seine Forschungstätigkeit ein angesehener Mann bei der britischen Regierung. Die guten Beziehungen halfen ihm bei seiner weiteren Karriere, wobei gerade die Begegnung mit Winston Churchill für Chaim Weizmann besonders wichtig war. Als sich der Krieg verschärfte, sah sich Churchill als Erster Lord der Admiralität einem zunehmenden Mangel an Aceton für die Herstellung von Marinesprengstoff gegenüber. Der Leiter der Pulverabteilung der Admiralität, ein jüdischer Chemieingenieur, schlug Churchill vor, sich an Weizmann in Manchester zu wenden. Churchill stimmte zu und so kam es 1915 zu einem Treffen der beiden Männer. Weizmann erinnerte sich in seinen Memoiren an die ersten Worte dieses Treffens: „Nun, Herr Dr. Weizmann, wir brauchen dreißigtausend Tonnen Aceton. Können Sie das schaffen?“ Und das tat er. Es wird angenommen, dass Churchill für diesen wichtigen Beitrag Weizmanns zu den britischen Kriegsanstrengungen, die Unterzeichnung der Balfour-Erklärung bei der Regierung wesentlich unterstützte, die dann durch Premierminister Lloyd George am 2. November 1917 genehmigt wurde. 1922 erhielt die Deklaration internationale Anerkennung und Legitimität durch den Völkerbund.

Die Familie zog 1916 nach London, wo sich Vera Weizmann mit mehreren anderen Frauen zusammenschloss, um eine zionistische Frauenorganisation zu gründen, die die Vorläuferin von WIZO (Women’s International Zionist Organisation) war.

Nach dem Tod von Theodor Herzl 1904 übernahm Chaim Weizmann als Mitglied des General Zionist Council die Aufgabe der Gründung eines jüdischen Staates.

1907 bereiste er zum ersten Mal das damalige Palästina, um sich ein Bild zu machen, wie dieser Staat entwickelt werden könnte. Er traf auf jüdische Einwanderer, die versuchten, das Land zu kultivieren, während sie Sümpfe trockenlegten und Malaria bekämpften. Dieser Besuch bestärkte ihn, dass politisches Lobbying und Siedlungen integraler Bestandteil der Gründung des Staates Israel sein müssen. Dieser kombinierte Ansatz wurde später als „synthetischer Zionismus“ bekannt. Weizmann seine beiden leidenschaftlichen Überzeugungen in der Vision eines jüdischen Staates, der auf Wissenschaft und Bildung begründet sein sollte. Es genügte ihm nicht, nur einen jüdischen Staat zu gründen, der einer Kulturgemeinschaft gleichkam, sondern einen jüdischen Staat, der der ganzen Welt zugutekommen sollte: „Ich vertraue und bin tief in meinem Herzen sicher, dass die Wissenschaft diesem Land sowohl Frieden als auch eine Erneuerung bringen wird, die hier die Quellen eines neuen spirituellen und materiellen Lebens erschaffen“ schreibt er in seinen Memoiren.

 

1921 wurde er zum Präsidenten der World Zionist Organization gewählt und startete eine energische Spendensammlung und politische Kampagne, um beim Aufbau und der Schaffung des Staates Israel zu helfen. In zahlreichen schriftlichen Appellen an britische Beamte in England unterstrich er seine zionistische Einschätzung für die Gründung eines jüdischen Staates. Im Gegensatz dazu stand die Meinung der meisten britischen Beamten in Palästina, die gegen die Idee eines unabhängigen Staates waren, obwohl 1917 die Balfour-Deklaration unterzeichnet wurde, in der sich Großbritannien einverstanden erklärte, in Palästina eine „nationale Heimstätte“ des jüdischen Volkes zu errichten. 1922 legitimierte der Völkerbund die Idee eines jüdischen Staates, doch Differenzen mit zionistischen Extremisten und auch wegen politischen Veränderungen in Großbritannien, wurde eine definitive Beschlussfassung für viele Jahre verzögert.

Weizmann nutzte diese Zeit, um im zukünftigen Israel Wissenschaft und Bildung zu fördern, indem er 1934 in Rechovot ein Forschungsinstitut gründete, das später zum international renommierten Weizmann-Institut wurde. Er war auch entscheidend für die Gründung fortschrittlicher Unternehmen, wie der Phosphatfabrik am Toten Meer und des Wasserkraftwerks in Naharayim, verantwortlich. Er drängte auf die Notwendigkeit einer jüdischen technischen Universität in Haifa. Daraus wurde das Technion – Israelisches Institut für Wissenschaft und Technologie- Israels älteste Universität. In den vergangenen Jahren haben Wissenschaftler des Technion fünf Nobelpreise gewonnen. Das Technion war auch großteils für den Erfolg der israelischen Hightech-Gesellschaft und dem Status Israels als „Start -Up Nation“ verantwortlich.

1948 verließen die Briten Palästina und im Mai 1948 wurde Chaim Weizmann zum ersten Präsidenten Israels gewählt und ein Jahr später vereidigt. Diese Rolle, hatte Weizmann bis zu seinem Tod inne. Am 9. November 1952 verstarb Chaim Weizmann in seinem Haus in Rechovot. An seinem Todestag fasste Premierminister David Ben-Gurion in einer Ansprache vor der Knesset sehr treffend zusammen: „....Weizmann trug zwei Kronen auf seinem Kopf – eine Krone der Staatskunst und eine Krone der Gelehrsamkeit. Er war gleichzeitig der Erste unserer Nation und einer der Größten der Wissenschaft.“

Chaim Weizmann bleibt als Israels erster Präsident in Erinnerung und als einer der drei Menschen, die zusammen mit Herzl und David Ben-Gurion einen Staat für das jüdische Volk geschaffen haben.

 

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